Great Transformation

Plena DFG-Kolleg

Plenarveranstaltungen der DFG-Kollegforscher_innengruppe ›Postwachstumsgesellschaften‹
Great Transformation
Foto: Sarah Cords

In den Plenarveranstaltungen werden zentrale Themen und Forschungsergebnisse, die in der Jenaer Kollegforscher_innengruppe ›Postwachstumsgesellschaften‹ in den letzten acht Jahren verhandelt worden sind, aufgegriffen und zur Diskussionen gestellt. Dabei geht es um gesellschaftliche Wachstumstreiber und Wachstumsbarrieren sowie deren strukturbildende Wirkungen. Konkret werden u.a. die Gegenwart und Zukunft von Globalisierung, Arbeit und Ungleichheit, sozialer Reproduktion, Naturverhältnissen, Subjektivitäten und gutem Leben thematisiert.

Dienstag, 24. September 2019

  • Beyond Democracy

    Organisator_in: Tilman Reitz (Jena)

    Uhrzeit: 10.30 – 13.00 Uhr // Raum: Hörsaal 8

    Während ein Wachstumshorizont lange Zeit soziale Kompromisse in liberalen Demokrati-en ermöglicht hat, erstarken in der Wachstum­skrise fortgeschrittener Kapitalismen die Kräfte, die Politik jenseits der repräsentativen Demokratie versprechen. Die parlamenta-rischen Institutionen, klassischen Parteien und Formen der Interessenaushand­lung sehen sich von Alternativen umstellt, die zumeist autoritären Charakter haben, aber auch über das erreichte Niveau demokratischer Praxis hinausweisen können. Das Plenum diskutiert anhand solcher Entwürfe und Szenarien, wie ein ›Jenseits der Demokratie‹ im Postwachs-tumskapitalismus aussehen könnte.
    Ein zentrales Denkmodell bildet dabei das Nullsummenspiel: Wenn es nicht kontinuierlich mehr zu verteilen gibt (aber weiter profitakkumulierend gewirtschaftet wird), resultiert dies in verschärf­ten Klassenspaltungen, politische und technokratische Eliten geben still-schweigend Umverteilungsziele auf und Wachstum wird vermehrt nationalistisch auf Kosten anderer Bevölkerungsgruppen oder Länder verfolgt. Doch zumindest in Entwürfen und Experimenten versucht man auch mehr Demokratie zu wagen, als es das repräsen-tative System vorsieht: Die Idee der Wirtschaftsdemokratie wird als Gegenmodell zu sich selbst bedienenden Chefetagen neu entdeckt, und natürliche wie soziale Gemeingüter sollen in kooperativer Selbstverwaltung bewirtschaftet werden. Im Panel ist zu diskutieren, inwieweit solche Impulse eine Erneuerung der Demokratie einleiten könnten – und wo sie sich bereits jetzt als untergeordnete Elemente einer entdemo­kratisierten Ordnung erken-nen lassen.

    Beiträge:

    • Hanna Ketterer (Jena): Demokratie jenseits des Wachstums? Resultate des Kollegs Postwachstumsgesellschaften
    • Jan Sparsam (München): Die Rolle von Zentralbanken und Geldpolitik in der Transformation spätmoderner Wachstumsökonomien
    • Tilman Reitz (Jena): Wachstum in grün oder auf Kosten anderer: die neue Polarisierung des Parteienspektrums
    • Bernd Sommer (Flensburg): Demokratisierung der gesellschaftlichen Naturverhältnisse durch Postwachstum? Prozesssoziologische Perspektiven und empirische Befunde
    • Barbara Muraca (Eugene, US): Mehr als Repräsentation: Wirtschaftsdemokratie und anarchistisches Commoning
  • Beyond Property?

    Organisation, inhaltliche Rahmung und Moderation: Silke van Dyk (Jena)

    Diskutant_innen: Brenna Bhandar (London, GB), Timo Daum (Berlin), Stefan Metz (Berlin), Simon Sutterlütti (Berlin), Silke van Dyk (Jena)

    Uhrzeit: 10.30 – 13.00 Uhr // Raum: Großer Rosensaal, Fürstengraben 27

    The plenum "Beyond Property?" will explore the relationship between property relations, growth and socio-economic issues in a global perspective and thus surmount the widespread narrowing of the social question to the distribution of resources. At the same time, proprietary theoretical perspectives need to be questioned more closely than has been the case to date about their implications for future growth policy. What role, so the initial question of the plenum, will private property play for future capitalism? What is the significance in this context of common goods, digital platforms and sharing economies, through which economies of use and sharing beyond property titles have left the niches of left-wing alternative projects? How are such economies structured and embedded in the global North and South? Do they transcend capitalism and its growth dynamics, or do we rather observe new modes of marketization as responses to secular stagnation in contemporary capitalism? In order to be able to pursue these questions, the discussion of global property relations is dependent on a historical analysis that is sensitive to (post-)colonial conditions. The plenary will discuss Brenna Bhandar's analysis of the global enforcement of capitalist property rights as a racial capitalism with two competing diagnoses on the transformation of contemporary capitalism: Massimo de Angelis' draft of a post-capitalist economy of the common on the one hand and Timo Daum’s diagnosis of platform capitalism beyond private ownership on the other.

    Beiträge:

    • Brenna Bhandar (London, UK): Colonial lives of property. Racial Regimes of Ownership
    • Timo Daum (Berlin): Capitalism beyond property? The recuperation of General Intellect through Capital
    • Stefan Meretz, Simon Sutterlütti (Berlin): Transcending property. An invitation to an utopian perspective

    Vortragsabstracts der Referent_innenpdf, 158 kb

  • ›Beyond Society‹: Die Vergemeinschaftung des Sozialen und ein neu-subsidiärer Gesellschaftsvertrag

    Organisator_innen: Stefanie Graefe (Jena), Tine Haubner (Jena)

    Diskutant_innen: Stefanie Graefe (Jena), Tine Haubner (Jena), Francesco Laruffa (Genf), Barbara Sutter (München) 

    Uhrzeit: 15.00 – 17.30 Uhr // Raum: Hörsaal 7

    Die Veranstaltung thematisiert ausgehend von der begrifflich-analytischen Gegenüber-stellung von Gemeinschaft und Gesellschaft aktuelle Tendenzen einer Reformierung sozialer Verhältnisse, die quer zu der für die westliche Moderne konstitutiven Differenz von Liberalis­mus und Sozialismus bzw. Freiheit und Sicherheit verlaufen, und die sich konzeptionell sowohl entlang neuer diskursiver Semantiken als auch in (sozial-)politischen Programmatiken nachvollziehen lassen. Dabei handelt es sich, so die Grundannahme, ausdrücklich nicht um Tendenzen der Retraditionalisierung i. S. einer ›Rückkehr‹ zu früheren, z. B. fordistischen Konzeptionen von Gesellschaft, sondern um eine neue Konfiguration neoliberaler Gouvernementalität im Zeichen von ›Community‹ und ›Resilienz‹. Für diese ist die Förderung von niedrig­schwelliger informeller Unterstützung, wie etwa freiwilligem Engage­ment und gemeinschaftsbasierter bzw. kommunaler Selbst-verwaltung einerseits, sowie die Anrufung der biopsychischen Selbstregulations­kom-petenzen der Subjekte andererseits charakteristisch. In diesem Zusammenhang lässt sich eine politische Indienstnahme intra- und intersubjektiver Beziehungen beobachten, die Handlungsfähigkeit, Partizipation und Demokratisierung verspricht, zugleich aber das Risiko einer Informalisierung der Daseinsvorsorge und der umfassen­den Entpolitisierung des Sozialen birgt. Trifft diese Diagnose zu, dann wird hier nicht weniger als die für die westliche Moderne konstitutive Idee der kollektiven und demokratischen Gestaltung von Gesellschaft, für die der Anspruch einer staatlichen Schaffung von Gelegenheits­strukturen sozialen Handelns zentral ist, zugunsten einer ›neuen Subsidiarität‹, d. h. eines auf Staatsentlastung abzielenden Imperativs privater und zivilgesellschaftlicher Selbsthilfe und der Primärverant­wortung der ›kleinen Netze‹ aufgegeben.

    Beiträge:

    • Francesco Laruffa (Genf, CH): Elements of a Theory of Post-Neoliberal Social Citizenship
    • Barbara Sutter (München): Gemeinwohl durch Selbstinteresse? Zur Transformation des Sozialen durch die ‚Rückkehr des Bürgers‘
  • Care, Kapitalismus, Transformation

    Organisator_innen: Brigitte Aulenbacher (Linz, AT), Karina Becker (Jena), Tine Haubner (Jena), Sylka Scholz (Jena)

    Uhrzeit: 10.30 – 13.00 Uhr // Raum: Hörsaal 7

    Die internationale Sociology of Care macht seit geraumer Zeit auf eine weitreichende Transformation der Care Regime aufmerksam, in der mehrere Tendenzen ineinander-greifen: der Wandel der Arbeits-und Lebensformen, die Veränderung von Sozialstaatlich-keit im Kontext neuer Governance, die Transnationalisierung von Arbeit und Politik, die forcierte Kommodifizierung von Care und Care Work und, nach der Finanzkrise 2007–09, die als Care- oder Reproduktionskrise begriffene Verschärfung von Sorgegefährdungen. Sie berühren die gesellschaftliche Organisation von Care und Care Work im Kontext von Ungleichheiten, Macht und Herrschaft im Zusammenspiel mit Gender, Race und Class.
    Das Plenum widmet sich den folgenden Fragen: Inwiefern greifen die Transformation der Care Regime und die Transformation des Kapitalismus ineinander? In welcher Weise sind diese Entwicklungen umkämpft? Wo treten Widersprüche und Ambivalenzen auf? Welche emanzipatorischen Konzepte einer Neugestaltung von Care und Care Work finden sich?
    In zwei Vorträgen geht es vorrangig darum, wie Care und Care Work nach kapitalistischen Maßgaben neu vergesellschaftet werden und in welcher Weise sich dies mit neuen For-men ihrer Vergemein­schaftung verbindet. Zwei Vorträge thematisieren, inwiefern sich Ansätze einer Neugestaltung von Care und Care Work im emanzipato­rischen Sinne zeigen und von wem sie wie verfolgt und durchgesetzt werden.

    Beiträge:

    • Brigitte Aulenbacher (Linz, AT): Sorgender Kapitalismus? Die Vermarktung, Industrialisierung und Rationalisierung des Sorgens
    • Tine Haubner (Jena): Re-Embedding Care: Zur Vergemeinschaftung von Sorge jenseits von Staat und Markt
    • Karina Becker (Jena): Sorgeextraktivismus als Folge individueller Selbstsorgeagenden. Konturen inklusiver Solidarität
    • Sylka Scholz (Jena): Caring Masculinities. Der Beitrag von Männern an der Transformation des Care Regimes

    Vortragsabstracts der Referent_innenpdf, 64 kb

  • Die Arbeitsgesellschaft in der großen Transformation. Zwischen Prekarisierung, ökologischer Krise und nachhaltiger Arbeit

    Organisator_innen: Steffen Liebig (Jena), Klaus Dörre (Jena)

    Diskutant_innen: Hans Diefenbacher (Heidelberg), Klaus Dörre (Jena), Steffen Liebig (Jena), Beate Littig (Wien, AT), Hans-Jürgen Urban (Frankfurt am Main), Christa Wichterich (Bonn)

    Uhrzeit: 10.30 – 13.00 Uhr // Raum: Hörsaal 4

    Rückblickend erscheinen die soziologischen Abgesänge auf die Arbeitsgesellschaft zwar immer noch als theoretisch inspirierend, empirisch aber als überzogen bis verfehlt. Auch die relative Abwesen­heit von ökologischen Fragestellungen in der damaligen Fachdebatte fällt auf. Im Gegensatz dazu wird die Transformation und teilweise auch die Überwindung der Arbeitsgesellschaft heute vor allem unter dem Eindruck der ökologischen Krise diskutiert. Zweifelsohne steht Arbeit – verstanden als ›Stoffwechsel mit der Natur‹ (Marx) und zentraler Reproduktionsmechanismus der Gesellschaft – im Zentrum der gesellschaftlichen Naturverhältnisse. Doch in welchem Verhältnis stehen die aktuellen Umbrüche in der Arbeitswelt zu den prägenden ökologischen Zuspitzungen unserer Zeit?
    Hier verfolgt das Panel zwei Ziele: Erstens soll geklärt werden, mit welchen Begriffen sich die gegenwärtige Verfasstheit der Arbeitsge­sellschaft am treffendsten beschreiben lässt. Dabei sollen insbesonde­re die ökologischen Verwerfungen und das ›Ende des schnellen Wachstums‹ (Galbraith) Berücksichtigung finden. Zweitens werden potentielle Entwicklungspfade in den Blick genom­men und mögliche Schritte einer sozial-ökologischen Transformation in Richtung nachhaltiger Arbeit diskutiert. Hier sollen konstruktive Kontroversen betreffend eines (weiten) Arbeitsbegriffs, Arbeitszeitver-kürzung, qualitativem Wachstum und Postwachstum ausgetragen werden.

  • Die große Transformation globaler Arbeitsteilung? Globales Wachstum und der Aufstieg Chinas

    Organisator_innen: Jakob Graf (Jena), Benjamin C. Seyd (Jena)

    Diskutant_innen: Qingzhi Huan (Peking, CN), Christoph Scherrer (Kassel), Stefan Schmalz (Jena)

    Uhrzeit: 10.30 – 13.00 Uhr // Raum: Hörsaal 9

    Ausgangspunkt des Jenaer Kollegs ›Postwachstumsgesellschaften‹ ist die Annahme eines Kontinuitätsbruchs: Im Zuge einer ›ökono­misch-ökologischen Zangenkrise‹ ist Wachstum demnach von einer Lösung zu einem Problem geworden, bei dem niedrige Wachstumsraten mit fortgesetzter ökologischer Zerstörung und demokratischen Legitimationskrisen einhergehen. Die Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen der politischen Orientierung am Wirtschaftswachstum wird allerdings noch erheblich verkompliziert, wenn wir die Krise in ihrer räumlichen, globalen Verfasstheit betrachten. Denn im Kontrast zu den ›Abstiegsgesellschaften‹ des Globalen Nordens steht die Aufstiegsgeschichte der asiatischen Tigerstaaten und insbesondere der chinesischen ›Hochwachstumsgesellschaft‹. Das Panel fragt, wie sich diese augenscheinliche Neukonfiguration globaler Arbeitsteilung und Wachstumsdynamik zur Annahme eines Kontinuitätsbruchs verhält und was sich am chinesischen Fall über die Vereinbarkeit von Wachs­tum, Ökologie und Demokratie lernen lässt.

  • Globale Landnahme. Das Expansions-Ambivalox und die Zukunft des Kapitalismus

    Organisator_in: Klaus Dörre (Jena)

    Diskutant_innen: Sérgio Costa (Berlin), Klaus Dörre (Jena), Christoph Deutschmann (Tübingen), Nicole Mayer-Ahuja (Göttingen)

    Uhrzeit: 15.00 – 17.30 Uhr // Raum: Hörsaal 6

    Landnahme ist eine Chiffre für das Expansions-Ambivalox kapita­listischer Gesellschaften. Der Kapitalismus muss expandieren, um zu existieren. Dabei zerstört er allmählich, was er für seine Reproduktion benötigt. Je erfolgreicher die Akkumulations- und Wachstums-maschine arbeitet, desto stärker untergräbt sie die Selbstreproduktionsfähigkeit sozialer und natürlicher Ressourcen, ohne die moderne kapitalistische Gesellschaften nicht über-lebensfähig sind. Allerdings lässt sich der Zeitpunkt für einen möglichen Systemkol-laps mit Hilfe von Selbststabilisierungsmechanismen immer wieder zeitlich hinaus-schieben und räumlich verlagern – das jedoch letztendlich nur um den Preis einer neuer-lichen Stimulierung expansiver Kräfte und ihres Destrukti­onspotenzials. Diese theoretische Grundidee kann auch auf die Globalisierung angewendet werden. Die Globalisierung ist repulsiv geworden, d. h. sie schlägt auf die verursachenden Zentren zurück und erzeugt dort Konflikte, die eine Fortsetzung blockieren. Sie kann keinen stabilen internationalen Verflechtungszusammenhang hervorbringen, weil sie auf der Landnahme, d. h. der Okku-pation, Aneignung und allmählichen Zerstörung ihrer eigenen sozialen Vorausset-zungen beruht. Die Globalisierung erweist sich als repulsiv und ambivalox. Sie mündet in eine ökonomisch-ökologische Zangenkrise, die mittlerweile das wirtschaftliche Herzstück der alten kapitalistischen Zentren erfasst und diese auf neue Weise zu Entwicklungs-gesellschaften macht.

  • Human Flourishing Beyond Growth

    Organisator_innen: Hartmut Rosa (Jena), Hanna Ketterer (Jena), Peter Schulz (Jena)

    Diskutant_innen: Hanna Ketterer (Jena), Miriam Lang (Quito, EC), Beate Roessler (Amsterdam, NL), Hartmut Rosa (Jena)

    Uhrzeit: 15.00 – 17.30 Uhr // Raum: Hörsaal 4

    The fact that the logic of dynamic stabilisation today has reached its limits in many ways is shown by ecological, social, and political crisis phenomena – one of the key findings of the Post-growth Societies research group. Instead of stabilising modern societies, the principle of dynamic stabilisation – the structural constraints of permanent growth, ac-celeration, and innovation – is increasingly leading to ›dynamic destabilisation‹. On the part of the subjects, the pressure for indefinite upward growth correlates with experiences of social estrangement and sclerotic world relations; it thus tends to threaten to shut out subjective approaches to alternative ideas of a good life.
    However, we do see approaches for a successful life: a) If accelera­tion and dynamisation is the problem, then resonance relationships (not deceleration) could be the solution; b) an unconditional basic income which would guarantee secure, market-external livelihoods could provide an exit option from the ›hamster wheel‹ and allow for individual access to a livelihood that is less oriented to paid work and consumption and more oriented to work on or in the democratic community. The panel intends to confront these propositions, which were discussed in the Post-growth Societies research group, with the theoretical concepts and empirical findings of academics outside the research group.

  • Intersektionale Perspektiven auf sozial-ökologische Krisendynamiken in einer ungleichen Welt

    Organisator_innen: Maria Backhouse (Jena), Anne Tittor (Jena)

    Diskutant_innen: Emma Dowling (Jena), Sarah Hackfort (Berlin), Markus Wissen (Berlin)

    Moderation: Miriam Boyer (Berlin)

    Uhrzeit: 15.00 – 17.30 Uhr // Raum: Großer Rosensaal, Fürstengraben 27

    Aus der Perspektive der kritischen Gesellschaftstheorie ist die sozial-ökologische Krise – wie sie sich in Klimawandel, Artenrückgang oder Naturkatastrophen manifestiert – Ergebnis der Wachstumszwän­ge des Kapitalismus und auch Ausdruck einer gesellschaft-lichen Krise. Es besteht Einigkeit im kritischen Debattenfeld, dass die ökologische Krise mit globalen sozialen Ungleichheiten artikuliert ist. Umstritten ist jedoch die Frage, wie sie genau mit globalen sozialen Ungleichheiten zusammenhängt: Welche Verantwortung trägt der globale Norden an der sozial-ökologischen Krise? Welche der globale Süden? Welche sozialen Gruppen innerhalb der verschiedenen Weltregionen sind jeweils Verursacher und Leidtragende? Wie ist ein globales Postwachstum gerecht und demokratisch umsetzbar? In dem Panel sollen diese Fragen und Debatten zum Ausgangspunkt genom­men werden. Es soll diskutiert werden, wie die Verflechtungen und Interdependenzen von sozialen Ungleichheiten im globalen Norden und globalen Süden in den Blick genommen werden können, ohne die Kontinuitäten von Nord-Süd-Asymmetrien bei der Verursachung und Bearbeitung der sozial-ökologischen Krise zu verschleiern oder die transnationalen querliegenden Ungleichheitsverhältnisse wie Klasse, Geschlecht, Ethnizität und andere zu ignorieren. Der zentrale Anknüp­fungspunkt für das Panel sind u.a. in der feministischen Debatte entstandene Perspektiven auf transnationale Intersektionalitäten. Dabei werden insbesondere Ansätze diskutiert, die das Zusammenwir­ken verschiedener Diskrimi-nierungsformen und Ungleichheitsdimen­sionen nicht auf die individuelle oder lokale Ebene beschränken. Ziel des Panels ist es, vor dem Hintergrund der Debatten im Kolleg ›Postwachstumsgesellschaften‹ zu globalen Ungleichheiten, sozial-ökologischen Krisendynamiken und ihrer Verursachung, Anknüp­fungspunkte für intersektionale Perspektiven zu skizzieren und damit verbunden zu diskutieren, welche Implikationen dies für die Entwick­lung einer demokratisch gestalteten, sozial-ökologischen Transforma­tion hat.

  • Ökologische Grenzen des Wachstums oder Transformation von Natur?

    Organisator_in: Stephan Lorenz (Jena)

    Diskutant_innen: Ulrich Brand (Wien, AT), Stephan Lorenz (Jena), Angelika Poferl (Dortmund),  Anke Schaffartzik (Wien, AT), Moderation: Karl-Werner Brand (München)

    Uhrzeit: 15.00 – 17.30 Uhr // Raum: Hörsaal 8

    Seit den 1960/70er Jahren wird eine globale ökologische Krise diskutiert und Wachstum als eine zentrale Ursache dafür ausgemacht. Wachstum sorge für eine immer weiter steigende Naturübernutzung, die in absehbarer Zeit die biophysische Regenerations-fähigkeit des Planeten erschöpfe und die menschlichen Lebensgrundlagen zerstöre. Ökologische Wachstumskritik ist in den vergangenen Jahren in den Degrowth- und Postwachstumsdebatten erneut virulent geworden. Vor diesem Hintergrund wird sich das Plenum drei zentralen Fragen widmen: Zunächst ist zu klären, inwiefern sich die Soziologie auf naturwissenschaftliche Diagnosen zur ökologischen Krise stützen kann. Sodann ist herauszuarbeiten, woraus genau ökologische Probleme resultieren, und auf dieser Basis, inwiefern Wachstum die ökologische Krise antreibt oder nicht, beziehungsweise was genau hier mit Wachstum gemeint ist. Schließlich wird besonders das Verhältnis von wissenschaftlich-technischen zu kapitalistischen Triebkräften gesellschaftlicher Entwick-lungsdynamik diskutiert, wie sie in soziolo­gischen Perspektiven auf Industriegesellschaft und Kapitalismus thematisiert werden.

  • Subjektivitäten und/ohne Wachstum

    Organisator_innen: Dennis Eversberg (Jena), Stephan Lessenich (München)

    Diskutant_innen: Susanne Draheim (Hamburg), Dennis Eversberg (Jena), Stefanie Hürtgen (Frankfurt am Main), Stephan Lessenich (München), Harald Welzer (Berlin)

    Moderatorin: Emma Dowling (Jena)

    Uhrzeit: 10.30 – 13.00 Uhr // Raum: Hörsaal 6

    Das Plenum diskutiert die These, dass sich in den flexibilisiert-kapitalistischen Gesellschaften des globalen Nordens mit ihrer ›aktivierenden‹ Staatlichkeit und ihren externalisierungsbasierten Lebensweisen eine spezifische Form der Wachstums-subjektivität herausgebildet hat – eine Subjektivität, die aber weder als einheitlich noch als stabil gedacht werden kann, sondern systematisch-verglei­chend in ihrem historischen Wandel und ihrer sozialstrukturellen Ausdifferenzierung zu untersuchen ist. Soziologisch ist insofern v.a. von Interesse, wie zeitlich und sozialräu­mlich konkret – oder auch formations- und klassenspezifisch – wachstumsfixierte und -abhängige, zugleich aber auch dissidente, wachstumskritische Subjekte produziert werden. Außerdem ist zu fragen, wie die solcherart inkorporierten Wachstumsimperative ihrerseits als subjektive Triebkräfte der fortlaufenden Steigerungsdynamik wirken. Wenn die Soziologie mit Blick auf künftige Auseinandersetzungen um die Notwendigkeit einer Abkehr von der kapitalistischen Steigerungsorientierung analysefähig sein soll, scheint dieser Fokus auf die Dialektik objektiver und subjektiver Steigerungs­zwänge geboten zu sein. Auch werden nur vor diesem Hintergrund mögliche alternative Subjektivierungsweisen – ›Postwachs-tumssubjek­tivitäten‹ – erkennbar, einschließlich der hohen Hürden und schwieri­gen Kämpfe auf dem Weg zu ihrer potenziellen Verallgemeinerung. Diese Überlegungen werden in einleitenden Vorträgen beider Berichterstatter im Rückblick auf die eigenen Arbeiten zum Thema im Kontext des Kollegs vorgestellt und theoretisch wie empirisch begründet. Drei KommentatorInnen prüfen kritisch die präsentierten Konzeptionen von Wachstums- und Postwachstumssubjektivität und umreißen mögliche Vorbehalte bzw. Gegenvorschläge.

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